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Anticholium

Gebrauchs- und Fachinformation


Dr. F. Köhler Chemie GmbH

Werner-von-Siemens-Str. 22 – 28

D-64625 Bensheim


Anticholium

Injektionslösung





1. Bezeichnung des Arzneimittels

Anticholium®

Wirkstoff: Physostigminsalicylat


2. Verschreibungsstatus/Apothekenpflicht

Verschreibungspflichtig


3. Zusammensetzung des Arzneimittels


3.1 Stoff oder Indikationsgruppe

Indirektes Parasympatomimetikum


3.2 Bestandteile nach Art und arzneilich wirksame Bestandteile nach Art und Menge


5 ml Injektionslösung enthalten:

arzneilich wirksamer Bestandteil

2,0 mg Physostigminsalicylat (Ph. Eur.)

sonstige Bestandteile

2,5 mg Natriummetabisulfit (Ph. Eur., entspricht max. 1,7 mg SO2), Natriumedetat (Ph. Eur.), Wasser für Injektionszwecke, Stickstoff


4. Anwendungsgebiete


Zur Behandlung postoperativ auftretender Störungen:

  • Zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS)

  • Verzögertes postoperatives Erwachen

  • Kältezittern (Shivering)


Als Antidot bzw. Antagonist bei Vergiftungen bzw. Überdosierung mit:

  • Alkohol

  • Tropanalkaloiden (Hyoscyamin, Atropin, Sco­polamin, z.B. in Engelstrompete, Stechapfel, Tollkirsche)

  • Panther- und Fliegenpilz

  • Trizyklischen Antidepressiva (Amitriptylin, Imipramin, Trimipramin, Clomipramin, Doxepin)

  • Antiemetika/Antihistaminika (Phenothiazin, Thioridazin, Chlorpromazin, Promethazin, Di­phenhydramin, Dimenhydrinat)

  • Neuroleptika (bes. Butyrophenone)

  • Benzodiazepinen

  • Spasmolytika (Tolderodin, Oxybutynin)

  • Antiparkinsonmitteln (Amantadin, Diphenhy­dramin,

  • Baclofen, 4-Hydroxybutansäure (GHB)

  • Inhalationsanästhetika

  • Ketamin

  • 3-Chinuclidinylbenzilat


5. Gegenanzeigen

Anticholium® darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegenüber Physostigmin­salicylat (Ph. Eur.), Natriummetabisulfit (Ph. Eur.) oder einem der sonstigen Bestandteile. Asthma bronchiale, Gangrän, koronare Herzerkrankungen, mechanische Obstipation und mechanische Harnsperre.


Absolute Kontraindikationen:

Dystrophia myotonica, Depolarisationsblock nach depolarisierenden Muskelrelaxantien,


Intoxikationen durch „irreversibel wirkende“ Cholinesterasehemmer, geschlossene Schädel-Hirn-Traumen, Obstruktionen im Magen-Darm-Trakt und in den ableitenden Harnwegen


Relative Kontraindikationen:

Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, Brady­kardie, AV-Reizleitungsstörungen, Schwanger­schaft, Morbus Parkinson, Colitis ulcerosa.


Schwangerschaft:

Es liegen keine Erfahrungen mit einer Anwen­dung von Anticholium® in der Schwangerschaft vor. Physostigmin, der in Anticholium® enthal­tene Wirkstoff, geht in die Plazenta über. Es liegen keine hinreichenden tierexperimentellen Studien in Bezug auf die Auswirkung auf Schwangerschaft, embryonale/fetale Entwick­lung, Geburt und postnatale Entwicklung vor. Das potentielle Risiko für den Menschen ist nicht bekannt. Anticholium® darf, im Falle einer Schwangerschaft, nur angewendet werden, wenn der behandelnde Arzt dies für unbedingt notwendig erachtet.


Stillzeit:

Es liegen keine Erfahrungen mit einer Anwen­dung von Anticholium® in der Stillzeit vor. Es ist nicht bekannt, ob Physostigmin, der in Anticholium® enthaltene Wirkstoff, in die Muttermilch übergeht. Anticholium® darf während der Stillzeit nur angewendet werden, wenn der behandelnde Arzt dies für unbedingt notwendig erachtet.


6. Nebenwirkungen

Übelkeit, Erbrechen, Veränderungen der Herzfrequenz (sowohl Brady- als auch Tachycardie), sinuatrieller Block, Hypotension, gesteigerter Speichelfluss, Schwitzen.

Natriummetabisulfit (Ph. Eur.) kann in seltenen Fällen Überempfindlichkeitsreaktionen und Bronchiospasmen hervorrufen.


7. Wechselwirkungen mit anderen Mitteln

Bei gleichzeitiger Gabe von anderen Cholinesterasehemmern ist Vorsicht geboten, da eine Wirkungsverstärkung eintritt.

Bei Vergiftung mit depolarisierenden Muskel­relaxantien vom Suxamethonium-Typ ist Anticholium® kontraindiziert!


8. Warnhinweise

Aufgrund des Gehaltes an Natriumdisulfit kann es im Einzelfall, insbesondere bei Asthmatikern, zu Überempfindlichkeitsreaktionen kommen, die sich als Brechreiz, Durchfall, keuchende Atmung, akuter Asthmaanfall, Bewusst­seinsstörungen oder Schock äußern können. Diese Reaktionen können individuell sehr unterschiedlich verlaufen und auch zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Unter solchen Voraussetzungen sollte für Anticholium® als Antidot bei Vergiftungen eine Nutzen-Risiko-Abwägung unter Bereithaltung


eines Cortison-Präparates erfolgen. Bei der Therapie mit trizyklischen Antidepressiva ist akuter Herzstillstand möglich, weshalb die Anwendung von Anticholium® als Antidot bei dieser Indikation nur unter laufender EKG-Monitor-Kontrolle erfolgen sollte.


9. Inkompatibilitäten

Nicht bekannt.


10. Dosierung mit Einzel- und Tagesgaben


Bei Vergiftungen:

  • Bei Kleinkindern: Beginn mit einer niedrigen Dosis von 0,5 mg Physostigminsalicylat i.v. oder i.m., Wiederholung dieser Dosis alle 5 Minuten bis zur Gesamtdosis von 2 mg, solange die toxischen, anticholinergen Symptome weiter bestehen und keine cholinergen Symptome auftreten.

  • Bei Erwachsenen: Initial 0,04 mg/kg KG (2 mg) Physostigminsalicylat langsam i.v. oder i.m. und 1-4 mg alle 20 Minuten nachspritzen. Wiederholung der Voll­wirk­dosis, wenn die Vergiftungssymptome wieder auftreten, eventuell auch in Form einer Dauertropfinfusion.


Zur Behandlung von postoperativen Aufwachstörungen:

Physostigmin wird mit einer Dosis von 0,04 mg/kg KG langsam intravenös (ca. 1 mg/min) injiziert, die maximale Einzeldosis liegt bei 2 mg. Nachinjektionen können bei unzu­reichender Wirksamkeit nach frühestens 5 bis 20 min. erfolgen, wenn die Wirkung der Erst­injektion ausreichend beurteilt werden kann.


11. Art der Anwendung

Intravenös, intramuskulär oder als Kurzin­fusion in 50 ml physiologischer Kochsalz­lösung über 10-15 Minuten. Als allgemeines Kriterium einer ausreichenden Physostigmin-Dosierung gilt die erkennbare Rückgewinnung der geistigen Fähigkeiten und Ansprechbarkeit (z.B. Namen, Adresse, Datum nennen).


12. Notfallmaßnahmen, Symptome, Gegen-mittel

Bei Vergiftungen sind Maßnahmen zur Resorptionsverhinderung wie Magenspülung, Gabe von medizinischer Kohle und Laxantien unverzüglich einzuleiten.

Bei einer Überdosierung von Anticholium® kann es zu Bradykardie, Speichelfluss, Erbrechen, tonisch-klonisch generalisiertem Krampfanfall kommen. Die Patienten sollten zur besseren Beobachtung unter EKG-Kontrolle sein.


Gebrauchsinformation und Fachinformation


Dr. F. Köhler Chemie GmbH

Werner-von-Siemens-Str. 22 – 28

D-64625 Bensheim


Anticholium

Injektionslösung





12.1 Überdosierung

Gabe von Atropin i.v. bis zur Normalisierung der Symptome. In der Regel die halbe Menge der verabreichten Dosis von Physostigmin­salicylat. Bei Vergiftungen sind Maßnahmen zur Resorptionsverhinderung (wie Magen­spülung, Gabe von medizinischer Kohle, Laxantiengabe) unverzüglich einzuleiten.


13. Pharmakologische und toxikologische Eigenschaften, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik


13.1 Pharmakologische Eigenschaften

Physostigmin ist von seiner chemischen Struktur her wie alle medizinisch eingesetzten Cholinesterasehemmer ein Carbamat. Es ähnelt im Aufbau den Substanzen Neostigmin und Pyridostigmin, weist aber im Gegensatz zu diesen anstelle eines quaternären ein tertiäres Stickstoffatom auf. Physostigmin ist ein reversibler Blocker der Acetylcholinesterase. Physostigmin verzögert als Acetylcholinesterase­hemmer den Abbau des Acetylcholins und wirkt durch die Erhöhung der Acetylcholinkon­zen­tration am Rezeptor indirekt parasympatiko­mimetisch. Physostigmin kann im Gegensatz zu den quarternären Aminen die Blut-Hirn-Schranke überwinden und im ZNS seine Wirkung entfalten.

Die (auch therapeutisch genutzte) Hauptwirkung von Physostigminsalicylat besteht in einer zeitlich begrenzten Hemmung der Cholinesterase, was zur vermehrten Bereitstellung von Acetylcholin führt.


In vitro hemmt Physostigmin die Cholinesterase im Rattengehirn noch in einer Verdünnung von 1,2 x 10-7 g (50%).


13.2 Toxikologische Eigenschaften

In Untersuchungen zur Toxizität bei einmaliger Gabe lag die mittlere letale Dosis bei intramuskulärer Gabe bei der Ratte bei 1,28 mg/kg KG, beim Kaninchen bei 1,57 mg/kg KG. Bei intravenöser Gabe wurde eine mittlere letale Dosis bei der Maus von 310 µg/kg KG und beim Kaninchen von 910 µg/kg KG ermittelt. Der Tod trat durch Atemstillstand bei Bewusstlosigkeit ein.


Bei Infusion von 0,24 mg/kg KG/h über 7 Tage beim Meerschweinchen wurden transienter Tremor, Abnahme von Körpergewicht und Körpertemperatur sowie Tod von 50% der Versuchstiere beobachtet. Bakterielle Tests ergaben keine Hinweise auf mutagene Eigenschaften. Weitere Untersuchungen auf ein mutagenes Potential liegen nicht vor. Kanzero­genitätsstudien wurden nicht durchgeführt.


Reproduktionstoxikologische Studien wurden nicht durchgeführt.



13.3 Pharmakokinetik

Die Eliminationshalbwertzeiten von Physo­stigmin nach intravenöser Applikation liegen beim Tier zwischen 20 und 30 Minuten, beim Menschen zwischen 18 und 30 Minuten. Das steht im Einklang mit den klinischen Erfahrungen am Menschen, mit einer aus­geprägten Wirkung für etwa 20 Minuten und einem Abklingen der Wirkung ab der 30. bis 40. Minute. Die Clearance liegt beim Menschen zwischen 1,5 und 5,7 L / min.


13.4 Pharmakodynamik

Physostigmin wird sowohl intestinal wie auch nach subkutaner und intramuskulärer Verabreichung gut und rasch resorbiert. Ebenso kann die Resorption über die Nasenschleimhaut nach lokaler Anwendung am Auge zu einer klinisch wirksamen systemischen Aufnahme führen. Der Abbau des Physostigmins erfolgt teils durch Hydrolyse, teils enzymatisch. Die Hydrolyse führt zu Metaboliten, die Ausscheidung erfolgt in glukoronidierter oder sulfatierter Form vorwiegend über den Urin (ca.80 %), zum geringen Teil auch mit den Faezes (ca. 5 %). Die Ausscheidung von Physostigmin ist nach 24 Stunden abgeschlossen. Dosen, die im Abstand von 60 bis 90 Minuten verabreicht werden, führen zu keiner Kumulation.


Die Verteilung erfolgt wegen der Struktur eines tertiären Amins unter dem Aspekt der Lipophilie, also mit guter Passagefähigkeit durch die Blut-Hirn-Schranke. Das ist von besonderer Bedeutung für die Indikationen des Physostigmins, das aus diesem Grunde weit überwiegend in Situationen eingesetzt wird, in denen die Hemmung der zentralnervösen Acetylcholinesterase erforderlich ist. Wegen der Lipophilie und der erhöhten Affinität des Physostigmins zum zentralnervösen Enzym sind zur Erzielung dieses Effektes Dosierungen ausreichend, bei denen die peripheren Wirkungen des Physostigmins fast vollständig in den Hintergrund treten.


Der Physostigmin-Metabolit Eserolin besitzt eine analgetische Wirkung, die sich nicht mit Naloxone oder Atropin aufheben lässt. Eserolin bewirkt über zentrale Beeinflussung der peripheren Adrenalinfreisetzung aus der Nebenniere eine Herz- und Kreislauf­stimulierende Wirkung, welche die peripheren vagalen Effekte überwiegt, so dass statt Bradykardie zumeist ein Pulsanstieg zu beobachten ist. Nach i.v.-Applikation tritt die Wirkung des Physostigmins bereits nach wenigen Minuten ein. Für eine Antagonisierung von anticholinergen Effekten ist eine Physostigmin-Plasmakonzentration von 3 bis 5 ng /L notwendig.


Die Wirkung hält dabei für etwa 20 Minuten ausgeprägt an und klingt bis zur 30. bis 40. Minute fast vollständig ab.


14. Sonstige Hinweise

Nicht bekannt.


15. Dauer der Haltbarkeit

Im unversehrten Behältnis: 3 Jahre

Die Infusionslösung ist nach der Zubereitung sofort zu verwenden.


16. Besondere Lager- und Aufbewahrungs- hinweise

Nicht über 25°C, vor Licht geschützt im Umkarton aufbewahren.


17. Darreichungsformen und Packungs­größen

Packung mit 1 Ampulle zu 5 ml.

Packung mit 5 Ampullen zu 5 ml.


18. Stand der Information

Mai 2010


19. Name oder Firma und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmens

DR. FRANZ KÖHLER CHEMIE GMBH

Werner-von-Siemens-Str. 22

D-64625 Bensheim

Telefon 0 62 51 / 1083 - 0

Telefax 0 62 51 / 1083 - 146

eMail: info@koehler-chemie.de