Neuro-Ratiopharm N Filmtabletten
Wortlaut der für die Fachinformation vorgesehenen
Angaben
Fachinformation
1. Bezeichnung des Arzneimittels
Neuro-ratiopharm® N Filmtabletten
2. Verschreibungsstatus/Apothekenpflicht
Apothekenpflichtig
3. Zusammensetzung des Arzneimittels
3.1 Stoff- oder Indikationsgruppe
Neurotrope Vitamine: Thiamin (Vitamin B1) und Pyridoxin (Vitamin B6).
3.2 Arzneilich wirksame Bestandteile
1 Filmtablette enthält 100 mg Thiaminchloridhydrochlorid (Vitamin B1) und 100 mg Pyridoxinhydrochlorid (Vitamin B6).
3.3 Sonstige Bestandteile
Mikrokristalline Cellulose, Maisstärke, Natriumcarboxymethylstärke, hochdisperses Siliciumdioxid, Talkum, Magnesiumstearat, Hypromellose, Macrogol 6000, Titandioxid (E 171).
4. Anwendungsgebiete
Neurologische Systemerkrankungen durch nachgewiesenen Mangel der Vitamine B1 und B6.
5. Gegenanzeigen
Dieses Arzneimittel darf nicht angewendet werden bei Verdacht auf Überempfindlichkeit gegen einen der Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile.
Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit
In der Schwangerschaft und Stillzeit beträgt die empfohlene tägliche Zufuhr für Vitamin B1 1,4‑1,6 mg und für Vitamin B6 2,4-2,6 mg. In der Schwangerschaft dürfen diese Dosierungen nur überschritten werden, wenn bei der Patientin ein nachgewiesener Vitamin-B1- und B6-Mangel besteht, da die Sicherheit einer Anwendung höherer als der täglich empfohlenen Dosen bislang nicht belegt ist.
Vitamin B1 und B6 gehen in die Muttermilch über. Hohe Dosen von Vitamin B6 können die Milchproduktion hemmen.
Eine Anwendung dieses Präparates während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Arzt entschieden werden.
6. Nebenwirkungen
In Einzelfällen sind nach Vitamin-B1-Gaben Schweißausbrüche, Tachykardie, Hautreaktionen mit Juckreiz und Urtikaria beschrieben worden.
Nach Gabe von Vitamin B6 wurden gastrointestinale Störungen beschrieben.
Bei längerfristiger Überdosierung von Vitamin B6 (länger als 2 Monate in einer Dosierung über 1 g/Tag) können neurotoxische Wirkungen auftreten.
Die langfristige Einnahme (mehr als 6‑12 Monate) von Tagesdosen über 50 mg Vitamin B6 kann eine periphere sensorische Neuropathie hervorrufen (s. 8. “Warnhinweise”).
7. Wechselwirkungen mit anderen Mitteln
Therapeutische Dosen von Vitamin B6 können die Wirkung von L-Dopa abschwächen.
Bei gleichzeitiger Anwendung von Pyridoxin mit Cycloserin, Isoniazid (INH), D-Penicillamin oder oralen Kontrazeptiva kann die Wirkung von Vitamin B6 abnehmen.
8. Warnhinweise
Beim Auftreten von Anzeichen einer peripheren sensorischen Neuropathie (Parästhesien) ist die Dosierung zu überprüfen und das Medikament ggf. abzusetzen. Periphere sensorische Neuropathien wurden bei langfristiger Einnahme (mehr als 6‑12 Monate) von Tagesdosen über 50 mg Vitamin B6 sowie bei kurzfristiger Einnahme (länger als 2 Monate) von Dosen über 1 g Vitamin B6/Tag beobachtet.
9. Wichtigste Inkompatibilitäten
Inkompatibilitäten sind bisher nicht bekannt.
10. Dosierung mit Einzel- und Tagesgaben
Soweit nicht anders verordnet, nehmen Erwachsene 1-3 mal täglich 1 Filmtablette (entsprechend 100-300 mg Vitamin B1/Vitamin B6/Tag) ein.
11. Art und Dauer der Anwendung
Die Filmtabletten werden unzerkaut zu oder nach den Mahlzeiten mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen.
Nach 4wöchiger Therapie sollte der Arzt entscheiden, ob weitere Therapiemaßnahmen erforderlich sind (s. 8. “Warnhinweise”).
12. Notfallmaßnahmen, Symptome und Gegenmittel
a) Symptome der Intoxikation
Vitamin B1
Thiamin besitzt eine große therapeutische Breite. Sehr hohe Dosen (über 10 g) haben eine ganglienblockierende Wirkung und unterdrücken curareähnlich die neuronale Reizübertragung.
Vitamin B6
Das toxische Potential von Vitamin B6 ist als sehr gering anzusehen. Erst bei kontinuierlicher Anwendung von Vitamin B6 über 2 Monate hinaus, in Dosen von über 1 g/Tag, können neurotoxische Nebenwirkungen auftreten.
Bei Menschen, die mehr als 2 g Vitamin B6 täglich eingenommen haben, sind folgende Symptome beobachtet worden: Neuropathien mit Ataxie, Sensibilitätsstörungen, zerebrale Konvulsionen mit Änderungen des EEG, hypochrome Anämie und seborrhoische Dermatitis.
b) Therapie von Intoxikationen
Bei Intoxikationen gibt es keine substanzspezifischen Gegenmaßnahmen; es muss symptomatisch behandelt werden.
13. Pharmakologische und toxikologische Eigenschaften, Pharmakokinetik und Bioverfügbarkeit, soweit diese Angaben für die therapeutische Verwendung erforderlich sind
13.1 Pharmakologische Eigenschaften
Neuro-ratiopharm® N Filmtabletten enthalten Vitamin B1 und Vitamin B6, die als Koenzyme wirken und für den Stoffwechsel essentielle Substanzen darstellen.
Thiamin wird im Organismus zum
biologisch wirksamen Thiaminpyrophosphat (TPP) und
Thiamintriphosphat (TTP) phosphoryliert. TPP greift als Koenzym in
wichtige Funktionen des Kohlenhydratstoffwechsels ein. Es ist das
Koenzym der Pyruvat-Decarboxylase, der
2-Oxoglutarat-Dehydrogenase und der Transketolase. Im
Pentosephosphatzyklus ist TPP an der Übertragung von Aldehydgruppen
beteiligt.
Aufgrund tierexperimenteller Ergebnisse kann von Vitamin B1 eine antinozizeptive Wirkung erwartet werden. Aus der Behandlung von Alkoholikern ist ein positiver Einfluss auf Transketolasen als Aktivierungsfaktoren bekannt. Die Wirksamkeit hochdosierter Gaben von Vitamin B1 bei der Wernicke-Enzephalopathie wird hervorgehoben und als Hinweis auf eine Wirkung des Vitamins im ZNS gewertet. Andererseits wird festgestellt, dass bei fortbestehender Einwirkung der Noxe die Gabe von Vitamin B1 keinen Einfluss hat.
Vitamin B6 ist in seiner phosphorylierten Form
(Pyridoxal-5’-Phosphat, PALP) das Koenzym einer Vielzahl von
Enzymen, die in den gesamten nichtoxidativen Stoffwechsel der
Aminosäuren eingreifen. Sie sind durch Decarboxylierung an der
Bildung physiologisch aktiver Amine (z. B. Adrenalin, Histamin,
Serotonin, Dopamin, Tyramin), durch Transaminierung an anabolen und
katabolen Stoffwechselvorgängen sowie an verschiedenen Spaltungen
und Synthesen der Aminosäuren beteiligt. Vitamin B6 greift an 4 verschiedenen Stellen in den
Tryptophanstoffwechsel ein. Im Rahmen der Synthese des
Blutfarbstoffes katalysiert
Vitamin B6 die
-Amino--Ketoadeninsäurebildung.
Vitamin B6 beeinflusst die Kalt-Warm-Perzeption und hat einen positiven Einfluss bei Ausfällen motorischer, sensibler und vegetativer Nervenfasern.
Vorkommen und Bedarfsdeckung
Vitamin B1 und seine phosphorylierten Derivate sind im
Pflanzen- und Tierreich weit verbreitet. Pflanzen und einige
Mikroorganismen sind thiaminautotroph. Der Mensch zählt zu den
thiaminheterotrophen Organismen, mit einem Körperbestand an Vitamin
B1 von ca. 30 mg. Wegen der
hohen Turnover-Rate und begrenzten Speicherung muss Thiamin zur
Bedarfsdeckung täglich in ausreichenden Mengen aufgenommen werden.
Bei Jugendlichen, älteren Personen, Alkoholikern, längerer Fehl-,
Mangel- sowie parenteraler Ernährung ist häufig ein
Vitamin-B1-Defizit
nachzuweisen. Der minimale Thiaminbedarf beim Menschen beträgt
0,2-0,3 mg/1000 kcal. Zur Vermeidung eines Defizits wird eine
Vitamin-B1-Zufuhr für Männer
zwischen 1,3 und 1,5, für Frauen zwischen 1,1 und 1,3 mg/Tag
empfohlen. In der Schwangerschaft ist der Bedarf um 0,3 mg/Tag und
in der Stillzeit um 0,5 mg/Tag erhöht.
Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin kommen reichlich in Pflanzen- und Tierprodukten vor. Der Körperbestand des Menschen an Vitamin B6 beträgt 40-150 mg, die tägliche renale Ausscheidung 1,7-2,6 mg und die Turnover-Rate 2,2-2,4 %. Der Bedarf hängt vom Proteinumsatz ab und steigt mit der Eiweißzufuhr. Zur Vermeidung eines Defizits ist eine tägliche Vitamin-B6-Zufuhr bei Männern von 2,3 mg/Tag und bei Frauen von 2,0 mg/Tag erforderlich. In der Schwangerschaft ist der Bedarf um 1,0 mg/Tag und in der Stillzeit um 0,6 mg/Tag erhöht.
Klinische Angaben
Nach den Ernährungsberichten zählen neben anderen, vor allem Vitamin B1 und Vitamin B6 zu den kritischen Vitaminen des B-Komplexes. Eine Unterversorgung kann bei Jugendlichen, älteren Personen, chronischem Alkoholismus, nach längerer Fehl- und Mangelernährung, nach Reduktionsdiäten oder längerer parenteraler Ernährung häufig mit biochemischen Methoden nachgewiesen werden.
Anhaltspunkte für einen Vitamin-B1-Mangel sind u. a. eine erniedrigte Thiaminkonzentration im Vollblut und Plasma, eine verminderte Thiaminausscheidung im Urin, ein Abfall der Transketolase und der Anstieg des Transketolase-Aktivierungskoeffizienten der Erythrozyten.
Anhaltspunkte für einen Vitamin-B6-Mangel sind u. a. eine erhöhte Xanthurenausscheidung nach Tryptophanbelastung, eine verminderte Ausscheidung von 4-Pyridoxinsäure, erniedrigte Serumwerte für Pyridoxin und Pyridoxinsäure-5'-phosphat und ein erhöhter erythrozytärer Glutamat-Oxalacetat-Transaminase-Aktivierungskoeffizient.
13.2 Toxikologische Eigenschaften
Akute Toxizität
Siehe 12. “Notfallmaßnahmen, Symptome und Gegenmittel”.
Chronische Toxizität
Beim Tier bewirken sehr hohe Dosen von Vitamin B1 Bradykardien. Daneben treten Symptome einer Blockade der vegetativen Ganglien und Muskelendplatten auf. Die orale Verabreichung von 150‑200 mg Vitamin B6 (Pyridoxinhydrochlorid) pro kg KG/Tag über einen Zeitraum von 100‑107 Tagen verursachte bei Hunden Ataxien, Muskelschwäche, Gleichgewichtsstörungen sowie degenerative Veränderungen der Axone und Myelinscheiden. Ferner sind im Tierversuch nach hohen Vitamin‑B6‑Dosen Konvulsionen und Koordinationsstörungen aufgetreten.
Mutagenes und tumorerzeugendes Potential
Unter den Bedingungen der klinischen Anwendung sind mutagene Wirkungen von Vitamin B1 und B6 nicht zu erwarten.
Langzeitstudien am Tier zum tumorerzeugenden Potential von Vitamin B1 und Vitamin B6 liegen nicht vor.
Reproduktionstoxizität
Vitamin B1 wird aktiv in den Fetus transportiert. Die Konzentrationen im Feten und Neugeborenen liegen über den maternalen Vitamin‑B1‑Konzentrationen. Zu Auswirkungen von höheren Dosen als der empfohlenen Tageszufuhr von Vitamin B1 auf Embryonal- und Fetalentwicklung des Menschen liegen bislang keine Erfahrungen vor.
Hohe Dosen von Vitamin B1 wurden im Tierversuch unzureichend untersucht.
Vitamin B6 ist plazentagängig und die fetalen Konzentrationen sind höher als die maternalen. Vitamin B6 ist im Tierversuch unzureichend geprüft. In einer Embryotoxizitätsstudie an der Ratte ergaben sich keine Hinweise auf ein teratogenes Potential. Bei männlichen Ratten führte die Gabe von sehr hohen Dosen von Vitamin B6 zu Spermatogeneseschäden.
13.3 Pharmakokinetik
Vitamin B1
Für oral zugeführtes Vitamin B1 wird ein dosisabhängiger dualer Transportmechanismus angenommen:
- eine aktive Resorption bis zu Konzentrationen < als 2 µmol
- eine passive Diffusion bei Konzentrationen > als 2 µmol
Für die Passage durch die Darmmukosa wird ein Carrier-Mechanismus vermutet, während der Übergang von der Serosaseite in das Blut Na+- bzw. ATPase-abhängig ist. Zur Resorption müssen von den phosphorylierten Thiamin-Derivaten durch Phosphatasen die Phosphatreste abgespalten werden. Die Resorption ist in der Duodenalschleife am größten, geringer im oberen und mittleren Dünndarm. Vitamin B1 wird mit einer kurzen Halbwertszeit von 3,8 Stunden eliminiert. Hauptausscheidungsprodukte sind Thiamincarbonsäure, Pyramin, Thiamin und eine Reihe bisher nicht identifizierter Metaboliten. Je höher die orale Vitaminzufuhr ist, desto mehr Thiamin wird innerhalb von 4-6 Stunden eliminiert.
Vitamin B6
Vitamin B6 und seine Derivate werden zu ca. 70 %
hauptsächlich im oberen
Magen-Darm-Trakt rasch über eine passive Diffusion resorbiert und
mit einem Maximum zwischen 2 und 5 Stunden ausgeschieden. Die
Halbwertszeit beträgt 3 Stunden, es besteht keine
Kumulationsgefahr. Im Blutplasma sind Pyridoxal-5´-phosphat und
Pyridoxal an Albumin gebunden. Die Transportform ist Pyridoxal. Bei
der Passage durch die Zellmembran wird an Albumin gebundenes
Pyridoxal-5´-phosphat durch eine alkalische Phosphatase zu
Pyridoxal hydrolysiert.
14. Sonstige Hinweise
Keine
15. Dauer der Haltbarkeit
Die Dauer der Haltbarkeit beträgt 2 Jahre.
Dieses Arzneimittel soll nach Ablauf des Verfallsdatums nicht mehr angewendet werden.
16. Besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise
Vor Feuchtigkeit schützen!
16a. Besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung von nicht verwendeten Arzneimitteln, oder sonstige besondere Vorsichtsmaßnahmen, um Gefahren für die Umwelt zu vermeiden
Entfällt
17. Darreichungsformen und Packungsgrößen
Packung mit 50 Filmtabletten (N2)
Packung mit 100 Filmtabletten (N3)
18. Stand der Information
Dezember 2004
19. Name oder Firma und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers
ratiopharm GmbH
Graf-Arco-Str. 3
89079 Ulm
www.ratiopharm.de